Braunfels zum Dreizehnten!
Vom 04. bis zum 07. Mai 2006 finden im hessischen Braunfels die Deutschen Frauen Länder Mannschaftsmeisterschaften statt. Vom DSB-Presserefenten Lais zum Turnier-Unwort des Jahres gekürt, gibt es hier dennoch spannenden Schachsport zu sehen.
Die Hessen richteten zum dreizehnten Mal seit 1990 dieses schachliche Großereignis aus.
11 Mannschaften aus 10 Landesverbänden nehmen in diesem Jahr am Turnier teil. Der Titelverteidiger Niedersachsen stellt 2 Mannschaften. Damit wird zum wiederholten Male mit einer ungeraden Teilnehmerzahl gespielt, was bei nur 5 Runden im Schweizer System natürlich doppelt unangenehm ist.
Die diesmal nicht vertretenen Landesverbände sind hiermit dringend aufgerufen, im nächsten Jahr eine Mannschaft nach Braunfels zu entsenden. Denn dies ist eine sehr gute Gelegenheit, den Spielerinnen des jeweiligen Bundeslandes Spielpraxis auch gegen starke Gegnerinnen zu verschaffen.
Der Aufgalopp am Donnerstag brachte keine großen Überraschungen. Die Favoriten setzten sich allesamt durch. Einzig der 6-2 Sieg von Titelverteidiger Niedersachsen I gegen Thüringen muß als unerwartet bezeichnet werden. Sachsen-Anhalt gewann mit 7-1 gegen Württemberg, Baden mit dem gleichen Ergebnis gegen Ausrichter Hessen. Rekordmeister NRW gewann mit 5,5 - 2,5 gegen Berlin.
Auch in der zweiten Runde passierte nichts Ungewöhnliches. NRW gewann diesmal mit 7-1 gegen Bayern, das sich am Vortag mit 4,5 - 3,5 gegen Schleswig-Holstein durchgesetzt hatte. Sachsen-Anhalt siegte mit 6,5 - 1,5 gegen Niedersachsen II, die am Donnerstag spielfrei waren und dafür 8 Brettpunkte einheimsten. Brettpunkte ist auch die Feinwertung bei Mannschaftspunktgleichheit nach 5 Runden. Und Baden gewann 5 zu 3 gegen den Titelverteidiger Niedersachsen I.
Damit haben sich die Niedersachsen wie im Vorjahr auch zunächst einmal aus der Spitzengruppe entfernt und können in aller Ruhe in den mittleren Tabellenregionen auf Punktejagd gehen. Mal schaun, ob sie auch in diesem Jahr am Ende wieder vorne stehen!
Die dritte Runde am Freitagnachmittag bringt die ersten Spitzenpaarungen. NRW spielt gegen Baden und Sachsen-Anhalt gegen Thüringen.
Die Vertretung des Rekordmeisters NRW konnte auch das Spiel gegen den Zweiten der Setzliste, Baden, siegreich gestalten. Die ersten 6 Bretter spielten allesamt remis gegen ihre starken Gegnerinnen, und Manuela Schmitz und Maria Cleven an den Brettern 7 und 8 konnten ihre Partien gewinnen. Sachsen-Anhalt gewann mit 4,5 zu 3,5 gegen Thüringen, den Sieger der Jahre 2000 und 2002.
Abends ging es dann für einige NRW-Vertreter noch zum Blitzturnier. Auch hier konnte der größte Landesverband den Turniersieg einfahren. Andreas Arnold Schmitz vom Mittelrhein-Oberligisten ISV Freibier Eikamp gewann die A-Endrunde mit 6/7 nach Stichkampf gegen den punktgleichen Berichterstatter. Vierte in diesem Turnier wurde Heike Vogel.
Die wichtigste Partie des Abends kam aber erst nach dem offiziellen Turnier. Der Sieger Andreas Arnold Schmitz spielte gegen den Turnierletzten um einen hohen Einsatz. Da er diese Partie jedoch siegreich gestalten konnte, erhielt die NRW-Delegation mit Andreas, Heike, Manfred Weber und mir noch ein Bier zum Abschluß dieses Tages.
Die vierte Runde am Samstag sollte die Vorentscheidung um den Turniersieg bringen.
Es kam zum Spitzenduell zwischen Sachsen-Anhalt und NRW.
Dabei wirkte sich die zusätzliche Motivation, die das Sachsen-Anhalt-Team durch die
Kommentierung der Blitzpartien am Vorabend den NRW-Spielerinnen gegeben hatte,
besonders positiv aus. NRW gewann diesen harten Kampf am Ende verdient mit 5,5-2,5,
vielleicht ein wenig zu hoch. Damit, so meinten alle, war die Deutsche Meisterschaft
2006 entschieden. Aber wir hatten schon einmal schlechte Erfahrungen mit einer letzten
Runde gemacht. Damals wurde nach 8-0 Punkten aus den ersten 4 Runden der Titel durch
ein 3,5 - 4,5 gegen Baden am Sonntag noch verschenkt.
Entscheidungskampf am Samstag Sachsen-Anhalt gegen NRW 2,5 - 5,5
In diesem Jahr hieß der Gegner Württemberg. Und da sollte diesmal nichts passieren. Mathematisch war ja klar, dass ein 4 - 4 zum Titelgewinn reicht. Das war denn auch das von einigen Spielerinnen präferierte Ergebnis. Doch die sportliche Lösung, die am Sonntag ausgespielt wurde, ist natürlich besser. Drei Partien endeten schnell remis, drei weitere nach längerer Spielzeit.
Katharina Bader und Jana Gussakovski aus Württemberg beim Büffet am Samstagabend
Irina Nattermüller und Maria Cleven, beide mit Weiß spielend an den Brettern 3 und 7, da Spitzenspielerin Anna Rudolph durch Mannschaftsführerin Brigitte Weber ersetzt werden musste, konnten mit ihren Siegen den 5 zu 3 Erfolg gegen Württemberg sicherstellen und damit den erneuten Titelgewinn des Rekordmeisters. Maria Cleven war auch unsere erfolgreichste Spielerin mit 5 Punkten aus 5 Partien. Das gleiche Ergebnis erzielte WGM Tatiana Kononenko am ersten Brett von Sachsen-Anhalt. WFM Sarah Hoolt vom Titelverteidiger Niedersachsen I erzielte am Spitzenbrett 4 aus 4, denn die Niedersachsen hatten in der letzten Runde tatsächlich spielfrei! Damit ist auch gesagt, dass sie ihren im Vorjahr überraschend erspielten Titel in diesem Jahr nicht verteidigen konnten.
Deutscher Meister NRW
Zweiter Platz Baden
Dritter Platz Berlin
Dass Petra Mense als Schiedsrichterin aufkommende Probleme am liebsten durch Nicht-Entscheiden löst, ist hinlänglich bekannt. Die hier verwendete Uhr allerdings springt nach einer erfolgten Zeitüberschreitung vor dem 40. Zug nicht um auf die zur Verfügung stehende Restzeit. Somit reklamiert praktisch die Uhr automatisch die Zeitüberschreitung, was den FIDE-Regeln entspricht, da es der Schiedsrichter ohnehin feststellen müsste. Falls jetzt aber der 40. Zug schon vorbei ist und die Uhr nicht umspringt auf die Restzeit (natürlich dennoch gleichbedeutend mit einer eindeutig festgestellten Zeitüberschreitung!), wird von Petra Mense flugs eine andere Uhr geholt, die Restzeit eingestellt und die Uhr ausgetauscht! Anstatt auf Partieverlust durch Zeitüberschreitung zu entscheiden.
Und klingelnde Handys an Spitzenbrettern werden komplett ignoriert. Wurde
WIM Helene Mira vor einigen Jahren noch richtigerweise genullt, weil der Wecker
ihres Handys klingelte, obwohl sie das Handy ausgeschaltet hatte, so war diesmal
einfach nicht festzustellen, wessen Handy geklingelt hatte. Die Schiedsrichterin
hatte zu dem Zeitpunkt das Licht im Saal eingeschaltet und nix gehört. Ok, kann
passieren. Aber mir und anderen dann noch das Handyklingeln als Lichtgeräusch zu
verkaufen, ist schon komisch. Jedenfalls, in der zweiten Runde zwischen Thüringen
und Sachsen-Anhalt klingelte unüberhörbar ein Sachsen-Anhaltinisches Handy. Und
zwar an den Brettern eins bis drei. Das hörten sowohl Thüringer Spielerinnen als
auch Spielerinnen vom Nebenkampf NRW gegen Baden, die dadurch gestört wurden.
Wenig später beeilte sich die Spielerin an Brett 1 doch sehr, mit ihrer Handtasche
den Spielsaal zu verlassen, um nur Sekunden später wieder zurückzukommen! Selbst
eindringlichste Zuredungen konnten jedoch die Schiedsrichterin nicht dazu bewegen,
der Sache nachzugehen. Ein Interesse an der Ahndung dieses mittlerweile unstrittigen
eklatanten Regelverstoßes war nicht zu erkennen.
Eine andere Spielerin aus Sachsen-Anhalt las nach übereinstimmenden
Augenzeugenberichten während ihrer Partie ihre Mails auf dem Handy, das sie unter
den Tisch hielt. Wohl wissend, dass die Schiedsrichterin nicht sehr
entscheidungsfreudig ist.
Im Nachhinein muß festgestellt werden, dass die Geschichte sportlich am Brett geregelt wurde. Sachsen-Anhalt, als einziges Team mit einer WGM angetreten, belegte in der Abschlusstabelle den vierten Rang, da Berlin sich mit dem Schlussrundensieg noch auf Rang 3 spielte!
Die Siegermannschaft verlor in den 5 Runden mit insgesamt 40 Partien lediglich 3! Zwei davon im Spiel gegen Sachsen-Anhalt und die unnötige Niederlage von Heike Vogel im Auftaktmatch gegen Brigitte von Herman aus Berlin, als Heike ein Remisangebot ablehnte.
Deutscher Meister NRW 2006 in Braunfels:
Anna Rudolph | 1,5/4 |
Anna Dergatschowa | 3,0/4 |
Heike Vogel | 3,0/5 |
Irina Nattermüller | 4,0/5 |
Kirsten van Münster | 3,5/5 |
Isabel Hund | 3,5/5 |
Manuela Schmitz | 3,0/5 |
Maria Cleven | 5,0/5 |
Brigitte Weber | 0,5/1 |
Deutscher Meister 2006 NRW
Fazit: Es war wieder sehr schön, und hoffentlich bis nächstes Jahr in Braunfels!
Berichte gibt's auch unter http://www.teleschach.com/aktuelles/ddmm-06.htm und auf http://www.schachfreunde-braunfels.de/DFMM/dfmm06.htm , der Homepage des Turniers.
Stefan Pick
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