Alle Jahre wieder...
Vom 29. Mai bis zum 01. Juni 2008 fanden im hessischen Braunfels die Deutschen Frauen Länder Mannschaftsmeisterschaften statt.
Die Hessen richteten zum fünfzehnten Mal seit 1990 dieses schachliche Großereignis aus.
das Objekt der Begierde, der Siegerpokal
10 Mannschaften aus 10 Landesverbänden nahmen in diesem Jahr am Turnier teil. Sachsen sagte leider kurzfristig ab. Bereits vorher war klar, dass auch Länder wie Rheinland-Pfalz, Bayern und Hamburg, um nur einige Beispiele zu nennen, keine Mannschaft nach Braunfels entsenden würden. Diese Länder nahmen in der Vergangenheit mit schöner Regelmäßigkeit am Turnier teil. Dafür war das Saarland nach längerer Auszeit wieder dabei, was ich persönlich sehr begrüßte. Damit hatten wir zwar eine gerade Teilnehmerzahl, nämlich 10, aber leider weniger Teilnehmer als jemals zuvor, was auch nicht optimal ist.
Die diesmal nicht vertretenen Landesverbände sind hiermit erneut dringend aufgerufen, im nächsten Jahr eine Mannschaft nach Braunfels zu entsenden. Denn dies ist eine sehr gute Gelegenheit, den Spielerinnen des jeweiligen Bundeslandes Spielpraxis auch gegen starke Gegnerinnen zu verschaffen.
Bereits einen Tag vor Turnierbeginn reisten von der NRW-Delegation die Mannschaftsführerin und NRW-Frauenbeauftragte Brigitte Weber mit ihrem Ehemann Manfred Weber, Vorsitzender des Kölner Schachverbandes, sowie Heike Vogel mit Ehemann Stefan Pick und dem gemeinsamen Sohn Max an. Sie nutzten die freie Zeit für ein klein wenig Urlaub und Entspannung vor einem erneut anstrengenden Turnier. Leider fanden statt der geplanten 9 Spielerinnen (plus Brigitte Weber) der NRW-Mannschaft nur 8 den Weg nach Braunfels. Das bedeutete, das weder Heike Vogel, die gerne ein oder zwei Spiele ausgesetzt hätte, noch eine andere NRW-Spielerin in den Genuß einer freien Runde kommen würde.
Die NRW-Mannschaft war auch diesmal wieder sehr ausgeglichen besetzt und sollte hoffentlich
um den Titel mitspielen können. Nach meiner Einschätzung, ohne zu wissen welche Spielerinnen
tatsächlich anwesend sind, werden Baden und Niedersachsen die stärksten Konkurrenten sein.
Da jedoch die Setzliste nach den abgegebenen Mannschaftsaufstellungen und nicht nach den
tatsächlich spielenden Spielerinnen erstellt wurde, war ein Schweizer Roulette zu erwarten.
Schaun mer mal!
Baden landete in der ersten Runde den höchsten Mannschaftssieg mit 7 - 1 gegen das Saarland. Ebenfalls hoch gewann Thüringen mit 6½-1½ gegen Württemberg und stieg mal gleich in meiner Favoritenliste ganz nach oben. Die topgesetzte Mannschaft aus NRW konnte den zweimaligen Bronzemedaillengewinner Berlin nach hartem Kampf mit 5-3 bezwingen. Möglicherweise, aber auch nur vielleicht waren die Gewinnpartien von Kirsten van Münster und Fan Zhang an den Brettern 4 und 5 etwas glücklich, weil ihre Gegnerinnen Gewinnmöglichkeiten ausließen. Dafür hätte Heike Vogel wohl ihr Endspiel mit Mehrbauer zum Sieg führen können.
In der zweiten Runde wird Niedersachsen der Gegner sein. Nachdem gestern die Vorbereitung schon total daneben ging (falsche Farbe und falsche Gegnerin), versuche ich es heute erneut. Mehr dazu später.
Von Laura Günnigmann, Heikes Gegnerin aus Niedersachsen, fand ich nicht allzu viele Partien.
Dennoch, oder gerade deswegen, stand Heike bereits nach wenigen Zügen deutlich besser. Der
Kampf gegen Niedersachsen, der zunächst nach einem einfachen Sieg aussah, wurde letztendlich
doch noch zu einem dramatischen Ereignis, das einige Zuschauer in seinen Bann zog. Irgendwie
stand es nach Siegen von Heike Vogel und Irina Nattermüller, Remisen von Kirsten van Münster
und Oksana Vovk sowie Niederlagen von Anna Rudolph und Anke Lutz 3-3. Zu diesem Zeitpunkt
dachte ich, unsere Mannschaft hätte führen müssen. Da mich jedoch der Schiedsrichter Berthold
Mense zum Mitschreiben in einem anderen Kampf eingeteilt hatte, habe ich die Entwicklung beim
Spiel NRW - Niedersachsen bis zum 3-3 nicht so genau verfolgen können. Fan Zhang und Isabel
Hund spielten noch. Fan hatte eine strategische Gewinnstellung auf dem Brett mit einem gedeckten
Freibauern und dem deutlich besseren Läufer. Sie hatte noch 20 Minuten auf der Uhr, ihre
Gegnerin 27.
Isabel hatte eine Mehrfigur im Endspiel, allerdings mit Damen auf dem Brett. Außerdem hatte die
Gegnerin noch 2 Bauern.
Bei der Mannschaftsführung reifte die Entscheidung, Fan remis anbieten zu lassen, damit Isabel den Mannschaftssieg perfekt machen konnte. Fan bot also remis an, was von der Gegnerin ohne Zögern akzeptiert wurde. Nachdem Isabel den Stand im Mannschaftskampf erfragt hatte und auf die Nachricht des 3½ zu 3½ doch kurz erschreckte, konnte sie danach ihre Gewinnstellung sicher zum Sieg führen. Die Gegnerin hatte den Zeitvorteil von ca.10 Minuten, den sie hatte, aufgebraucht und danach ihre Bauern nach vorn gezogen und somit geschwächt. Nach dem Damentausch war es sofort aus. Sieg für NRW mit 4½ zu 3½!
Entscheidung der dritten Runde Thüringen-NRW
In der dritten Runde wartete mit Thüringen der Tabellenführer auf unsere Frauen. Beide
Mannschaften hatten zu diesem Zeitpunkt 6-0 Punkte aufzuweisen. NRW musste siegen, um die
Tabellenspitze zu übernehmen, denn die Thüringerinnen hatten mehr Brettpunkte aufzuweisen.
Erneut wurde es ein sehr enger Mannschaftskampf. Anna Rudolph brachte den Favoriten aus
Nordrhein-Westfalen mit einer sehenswerten Partie gegen Doreen Troyke in Führung. Diese
konnnte zunächst durch Irina Nattermüller auf 2-0 ausgebaut und dann durch Remisen von Kirsten
van Münster und Oksana Vovk transportiert werden. Nach einer Niederlage von Isabel Hund stand
es 3-2 für NRW. Fan Zhang, die stundenlang mit einer Mehrfigur gegen Diana Skibbe gespielt
hatte, musste zum Schluß in Zeitnot remis anbieten. Somit also 3½ zu 2½ für uns. Heike Vogel
konnte nach völlig verkorkster Eröffnung im späteren Partieverlauf unklare Verwicklungen
herbeiführen und den Siegtreffer erzielen. Schlußendlich erhöhte Anke Lutz gegen Antje Fuchs
zum verdienten, vielleicht um den ein oder anderen Punkt zu hohen 5½ zu 2½ Sieg des neuen
Tabellenführers NRW.
Held des Tages war jedoch Manfred Weber, Vorsitzender des Kölner Schachverbandes und Ehemann
der NRW-Frauenreferentin Brigitte Weber. Er fand eine 80-jährige Holländerin, deren mitreisende
Busgesellschaft die Gehbehinderte aus den Augen verloren hatte und jetzt auf sie wartete.
Manfred suchte tatsächlich ganz Braunfels ab (ist überschaubar!) und fand die alte Dame im
Schlosshotel. Deutsch-holländische Freundschaft also im Hessenland!
Anna Rudolph, Schwester des Weltklasse-Großmeisters Alexander
Onischuk, vor Ihrem hervorragenden Sieg gegen Doreen Troyke aus Thüringen
In der vierten Runde am Samstag kam es zum Aufeinandertreffen mit dem Vorjahressieger Baden. Dieser war zwar gegenüber dem Vorjahr mit einer deutlich schwächeren Truppe vor Ort, dennoch wurde auch dieser Kampf kein Selbstläufer. Anna Rudolph, die in der Frauen-Bundesliga mit den Gegnerinnen in einer Mannschaft spielt, machte schnell remis mit Nellya Vidonyak. Fan Zhang gewann ihre Partie überzeugend, und Irina Nattermüller konnte im Endspiel den Sieg erringen. Beim Stande von 3½ zu 2½ für NRW einigten sich Heike Vogel und Isabel Hund mit ihren Gegnerinnen jeweils in einem Damenendspiel mit einem Mehrbauern auf remis und sicherten so den vierten Mannschaftssieg im vierten Spiel.
Auch das letzte Spiel am Sonntag gegen Gastgeber Hessen verlangte den Spielerinnen und
Betreuern noch einmal alles ab. Die letzten 3 Partien von Anna Rudolph, Fan Zhang und
Isabel Hund dauerten ziemlich lange. Beim Stand von 3-2 für NRW einigte sich Isabel Hund
im Doppelturmendspiel mit Mehrbauern mit ihrer Gegnerin auf remis. Damit stand es 3½ zu 2½
für NRW. Fan hatte wiederum eine Gewinnpartie auf dem Brett gehabt (Läuferpaar und Mehrbauer
gegen Läufer und Springer). Jedoch opferte sie eine Figur um ihre verbundenen Freibauern
durchzubringen. Das klappte nicht, und nach dem Einstellen der zweiten Figur ging die Partie
sogar noch verloren. Schade!
Anna Rudolph jedoch hatte sich aus der Eröffnung heraus eine Gewinnstellung aufgebaut mit
Mehrqualität. Die Gegnerin versuchte zwar alles, die Türme nicht entscheidend eindringen zu
lassen, letztlich jedoch vergeblich. Sieg für Anna und NRW erneut mit 4½ zu 3½, zum dritten
Male mit dem knappsten aller Ergebnisse!
Damit verabschiedet sich Brigitte Weber als Frauenschachreferentin des Landesverbandes NRW
mit einem erneuten Titel, diesmal wiederum mit dem optimalen Ergebnis von 10-0 Mannschaftspunkten!
Damit holte die Mannschaft in den neun Jahren mit Brigitte Weber 4-mal den Titel, wurde 3-mal
Zweiter und 2-mal Dritter - eine stolze Bilanz!
Liebe Brigitte, es wäre ja Aufgabe des SBNRW, aber von dieser Stelle schon mal ein Herzliches
Dankeschön von uns persönlich! Wollen wir hoffen, dass sich diese Erfolgsstory auch ohne Dich
und Deinen Mann fortsetzen lässt!
Deutscher Meister 2008 in Braunfels ist NRW! Hier die siegreiche Mannschaft:
Brett | Name | Titel | Punkte |
---|---|---|---|
1 | Anna Rudolph | WIM | 3½/5 |
2 | Oksana Vovk | WIM | 2/5 |
3 | Anke Lutz | WIM | 3/5 |
4 | Kirsten van Münster | WFM | 3/5 |
5 | Fan Zhang | 3/5 | |
6 | Heike Vogel | WFM | 4/5 |
7 | Irina Nattermüller | 3/5 | |
8 | Isabel Hund | WFM | 2½/5 |
Eine geschlossene Mannschaftsleistung, wo immer im richtigen Moment gepunktet wurde. Ungeschlagen blieben nur Kirsten van Münster und Heike Vogel. Letztere allerdings kam mindestens zweimal denkbar schlecht aus der Eröffnung. Dank ihrer Erfahrung und dem nötigen Quentchen Glück konnte sie jedoch die Spiele noch drehen. Mit Anna Rudolph und Heike Vogel holten ausgerechnet die Spielerinnen in diesem Jahr die meisten Punkte, die im vergangenen Jahr an den Spitzenbrettern noch die Sorgenkinder waren. Oksana Vovk verlor nur eine Partie, hielt ansonsten das zweite Brett fest. Anke kam diesmal ohne remis aus, Kirsten blieb ungeschlagen. Fan Zhang spielte wohl strategisch sehr starkes Schach, könnte auch weiter oben spielen. Die Ergebnisse entsprachen am Ende nicht ganz dem Spielverlauf in ihren Partien. "Eigentlich" hatte sie 5 Gewinnpartien auf dem Brett. Zu Heike habe ich oben schon etwas geschrieben. Irina hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass sie an Brett 7 oder 8 auch 5/5 holen kann. In diesem Jahr lief es nicht ganz so glatt, sie gewann nur, wenn es nötig war. Isabel schließlich holte den Siegpunkt gegen Niedersachsen, der die Mannschaft auf Meisterkurs brachte.
Siegerphoto NRW, links Bürgermeister von Braunfels, dann von links Fan Zhang,
Irina Nattermüller, Anke Lutz (hinten), Isabel Hund(vorne), Anna Rudolph (hinten),
Kirsten van Münster(vorne), Heike Vogel mit Max Pick, Oksana Vovk,
NRW-Frauenbeauftragte Brigitte Weber, Schiedsrichter Berthold Mense,
DSB-Frauenschachreferentin Ulla Hielscher, Rudi Förster von Braunfels
Stefan Pick
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