Schachklub Kerpen 64 e.V.

Braunfels 2010

Mittwoch, 02.06.10

Auf geht's nach Braunfels, wo in diesem Jahr bereits zum 17. Mal die Deutschen Ländermeisterschaften der Frauen stattfinden. Heike, Stefan und Max von der NRW-Fraktion sind diesmal bereits einen Tag früher unterwegs, Heike soll auch mal Urlaub haben. Die NRW-Frauenreferentin wird in den nächsten Tagen wieder fünfmal zum Einsatz kommen. Das wird nicht ganz einfach, denn diesmal ist sie wiederum in Begleitung von Ehemann Stefan und Sohn Max. Dieser ist jetzt bereits 2,5 Jahre alt und damit wesentlich anstrengender als noch vor einem Jahr. Ähnliches gilt natürlich auch für den Ehemann haha..:-).

Diesmal schickt uns das Navi erneut den bekannten Weg über die A3. Gutes Navi!

Den Mittwoch verbringen wir mit Spazierengehen durch Braunfels. Wir sind gespannt darauf, wie das mit den 2 NRW-Mannschaften funktionieren wird. Denn NRW hat zum ersten Mal seit langer langer Zeit wieder 2 Mannschaften am Start.

Morgen kommen die Spielerinnen. Wir freuen uns schon drauf. So, Gute Nacht für heute, Euer rasender Reporter geht zeitig ins Bett!

Einige der Spielerinnen kennen wir vorher gar nicht. Hier geht ein ganz besonderer Dank an Marina Roitburd, die gemeinsam mit Philipp Limbourg durch die Schachjugend NRW über viele Kontakte verfügt.

Donnerstag, 03.06.10

Der Donnerstag beginnt mit schlechten Nachrichten. Heike hat ernste Magenprobleme, und nach dem Frühstück dürfen wir dann erstmal zur Notapotheke. Diese befindet sich im 13 Kilometer entfernten Weilburg.

Dort schickt uns das Navi ins Eselsgässchen. Die Apotheke jedoch ist mit dem Auto gar nicht erreichbar! Heike muß eine lange Treppe hochgehen, mehr kann ich von unten nicht sehen. Ich bleibe mit Max im Auto und höre Musik. Heike findet schließlich die Apotheke und besorgt sich die dringend benötigten Medikamente.

Sie legt sich danach etwas hin, Max und ich gehen erneut durch Braunfels. Ein schönes Städtchen, wie zurecht in jedem Bericht erwähnt wird. Die Burg besuche ich jedoch mit Max nicht. Wir ziehen statt dessen durch die Stadt und den Park.

Gegen 12:00 Uhr, 12:30 Uhr erscheint die erste Spielerin. Es ist Olga Lopatin.

Bis 14:00 Uhr folgen dann alle anderen Spielerinnen. Der erste Sieg ist praktisch eingefahren, alle Spielerinnen sind pünktlich in Braunfels angekommen.

Für 15:00 Uhr ist die Mannschaftsführerbesprechung angesetzt. Die wird lustig! Zunächst einmal beginnt Petra Mense damit, dass lt. TO die erste Runde frei gelost wird. Ok, ist auch gut so. Nur in den letzten 11 Jahren jedenfalls nicht praktiziert worden!

Die zweite Maßnahme ist bereits nicht mehr so lustig. Trotz freier Auslosung muß NRW I gegen NRW II spielen. Zwar steht das nicht in der TO, aber das machen wir so. Damit NRW nicht in der letzten Runde schieben kann. Also erstens haben bei den letzten beiden Meisterschaften, in denen ein Landesverband zwei Mannschaften stellte, diese gar nicht gegeneinander gespielt. Und zweitens rutscht mir die Bemerkung raus, dass unsere Zweite doch gar nicht stark genug sei, um den Titel zu spielen! Sorry, Christina, sorry, NRW II, ist mir so rausgerutscht. Letztendlich bleibe ich auch dabei, auch wenn die zweite Mannschaft vier Runden lang alles tut, mich Lügen zu strafen. Tatsächlich spielt sie in der letzten Runde um Bronze, doch dazu später mehr!

NRW I spielt also in der ersten Runde gegen NRW II. Hier wird lediglich die Farbe gelost. Und sportlich, wie ich nun mal bin, erlasse ich keine "Stallorder". Der Spielstärkeunterschied von 200 bis 300 DWZ-und ELO-Punkten an jedem Brett wird's schon richten.

Weiteres Thema ist die Null-Karenz-Zeit. Diese wird ja seit dem 01.07.2009 auf allen FIDE-Turnieren gespielt. Es sei denn, die Ausschreibung bestimmt etwas Anderes. Tut sie hier aber nicht! Was denn bedeutet, dass die Spielerinnen zum Spielbeginn am Brett sein müssen. Diese Formulierung verwendet Schiedsrichterin Petra Mense auch bei der Mannschaftsführerbesprechung. Am Brett, stehen oder sitzen ist egal. Am Brett, nicht im Turniersaal oder gar im Turnierareal. Und obwohl wir also eine hochschwangere Spielerin dabei haben und eine mit erheblichen Magenproblemen, sind alle Spielerinnen immer pünktlich am Brett.

Mögen die Spiele beginnen. Und wo in der Formel I wegen einer Stallorder Menschenleben riskiert werden, lasse ich 16 Frauen und Mädchen einfach gegeneinander Schach spielen. Welch glorreiche Idee von mir! Alle Mannschaftsführer und Trainer lachen sich kaputt, denke ich mir am Donnerstag abend in meinem wirren Kopf. Besonders die von und in Mütterchen Russland. Denn diesmal haben wir keine 50-50 Verteilung zwischen "deutschen" und russischstämmigen Spielerinnen. Diesmal sprechen 12 von 16 Spielerinnen des SBNRW russisch!

Es kommt wie es kommen muss. Nach einem sehr harten Kampf endet das Spiel NRW I gegen NRW II glücklich für die Erste mit 4-4. Diese Mannschaft, die in den letzten beiden Jahren alle 10 Spiele siegreich gestaltet, tut sich mehr als schwer gegen die eigene Zweitvertretung.

Das Spiel ließ mich um mehrere Jahre altern. Zwar habe ich im Frauenschach schon viel gesehen, aber so etwas dann doch noch nicht.

Freitag 04.06.10

Am Freitagmorgen siegen beide Mannschaften hoch mit 7-1 gegen Bayern die Erste und mit 6,5 - 1,5 gegen Schleswig-Holstein die Zweite. Schon träumen die Ersten vom Doppelerfolg. Daran mag der Mannschaftsführer nicht so recht glauben. Klar, die Erste soll den Titel holen. Und die Zweite so gut wie möglich abschneiden. Mit Glück bedeutet das ein Spiel um Bronze. So tatsächlich meine Hoffnung vor dem Turnier.

Im zweiten Teil der Doppelrunde besiegt NRW I Niedersachsen mit 6,5 - 1,5, wiederum ohne Niederlage. Die Mannschaft ist jetzt warmgespielt. Die Zweite hat riesiges Pech gegen Hessen und verliert sehr unglücklich mit 3,5 - 4,5. Der erste Dämpfer für die sehr junge Mannschaft, die von Anfang an sehr gut harmoniert.

Samstag 05.06.10

Die Samstagsrunde führt NRW I zum zweiten Mal an den Spitzentisch. Diesmal um die Tabellenführung von Thüringen zu übernehmen. Bei einer Niederlage am Spitzenbrett entscheiden die Bretter 6 bis 8 den Tag für NRW I. Wobei ich als Ehemann ja sagen darf, dass Heikes Sieg an Brett 8 zwar der rechnerischen Wahrscheinlichkeit von 100% entspricht. Nichts desto trotz ist er zeitweise doch sehr glücklich eingefahren.

Die zweite Mannschaft gewinnt nach heroischem Kampf mit 4,5 zu 3,5 gegen Bayern. Damit hat sie bereits jetzt 5-3 Punkte und ein hervorragendes Turnier gespielt. Fan Zhang am Spitzenbrett hat 3,5/4 und dabei gegen 2 IMs und eine FM gespielt. Isabel Hund ist ungeschlagen gegen ausschließlich nominell bessere Gegnerinnen. Auch Anna Karmann ist noch ungeschlagen.

Nach der Auslosung ist auch klar, dass tatsächlich NRW I um Gold spielt gegen Sachsen und NRW II gegen Baden um Bronze! Alleine das ist schon ein Riesenerfolg für diese junge Mannschaft, die erstmals (mindestens seit dem Jahr 1999) an der Meisterschaft teilnimmt.

Der Abend klingt aus mit dem Buffet im Kurpark. Dieses ist gewohnt lecker. Nur die Wartezeiten müssen überbrückt werden. Das kann man in Zukunft durch beidseitig zugängliches Buffet verhindern.

Im Anschluß an das leckere Essen folgt ab 20:00 Uhr oder etwas später das Blitzturnier. 30 Teilnehmer/innen (in der Tat mehr als 20 Frauen dabei!) werden zunächst in 3 gleich starke Gruppen aufgeteilt. Die Besten aus allen Gruppen spielen dann das A-Finale, die Nächsten das B-Finale, die Letzten das C-Finale, wiederum in 10er Gruppen. Der Berichterstatter kann hier den Sieg davontragen. Nach 7/9 ungeschlagen in der Vorrunde und Platz 2 hinter Julia Freitag folgen in der A-Endrunde erneut 7/9, diesmal mit einer Niederlage gegen - Julia Freitag. Ich, Stefan Pick, gewinne also nach mehreren vergeblichen Anläufen und mindestens 2 zweiten Plätzen in den vergangenen Jahren das Blitzturnier vor Veit Godoj aus Berlin, WIM Lili Toth aus Hessen und WFM Julia Freitag aus NRW. Damit war der wichtigste Titel hier in Braunfels schon mal eingefahren (Spaß!).

Just vor der letzten Runde geht draußen der Gesang los. Happy Birthday 2 u, happy birthday 2 u höre ich immer wieder. Es ist 0:00 Uhr, und Heike hat Geburtstag.

Also, schnell noch das Remis zum Gesamtsieg eingeschoben, und dann ab zur Geburtstagsfeier von Heike. Max ist denn auch wach geworden und bleibt das auch bis ca. 01:30 Uhr. Den versäumten Schlaf holt er am nächsten Morgen einfach nach.

Sonntag 06.06.10

Der Sonntag beginnt mit dem obligatorischen Geburtstagsständchen der NRW-Spielerinnen für ihre Frauenreferentin. Heike hat heute Geburtstag und wird dementsprechend mit Luftballons, Luftschlangen, weiteren Geschenken und Gesang bereits zum Frühstück begrüßt.

Es ist schon erstaunlich, doch erneut finden alle Spielerinnen pünktlich den Weg ans Brett. Hier kämpft die Erste dann um Gold gegen Sachsen und die Zweite um Bronze gegen Baden.
Das Spiel der Ersten schaut gar nicht mal so gut aus. Bei der ersten Zeitkontrolle steht es 0 -1 gegen uns nach einer Niederlage von Irina Nattermüller. In diesem Moment sehe ich keinen Sieg und auch nicht, wie wir auf die zum Titel ausreichenden 4 Punkte kommen wollen. Doch unsere Mädels belohnen uns schließlich für all die Mühen und Entbehrungen der vergangenen Zeit und siegen mit 5-3. Damit kann NRW zum zweiten Mal in Folge den Titel verteidigen, das hat es schon ewig nicht mehr gegeben.

Die zweite Mannschaft spielt heute um Bronze. Doch nach den vier bisher wirklich starken Vorstellungen dieser Truppe sind sie heute entweder müde, oder die Nervenanspannung ist doch zu hoch. Oder der Gegner einfach zu stark. Wie oder was auch immer, das Spiel geht deutlich mit 2-6 verloren. Damit rutscht NRW II mit 5-5 Punkten und einem positiven Brettpunktekonto auf den achten Platz ab. Das hat die Mannschaft wirklich nicht verdient. Ist aber eine Folge des Freiloses, in dessen Genuss keine der beiden NRW-Mannschaften im Laufe des Turniers kommt. Aber immerhin 5 der 9 anderen Teilnehmer!

Erstaunt hat mich im Vorfeld bereits, dass die Spielerinnen sowohl die Mannschaftsaufstellungen (hier gab es ungefähr 3 Härtefälle, die in der zweiten Mannschaft spielen durften) als auch das Spiel NRW I gegen NRW II in der ersten Runde lockerer aufnehmen als der Teamchef. Die Stimmung in beiden Mannschaften ist sehr gut, geradezu ausgelassen. Und das, obwohl hier Spielerinnen zusammen spielen, zusammen schlafen (im Doppelzimmer!), die sich teilweise vorher gar nicht kennen. Alle, insbesondere die zweite Mannschaft, harmonieren hier hervorragend.

Unser besonderer Dank gilt Marina Roitburd, die, wie bereits weiter oben erwähnt, wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen hat.

Ein Hinweis an die Frauenkommission, den DSB oder wer auch immer die Ausschreibung macht: Als Zweitwertung empfehle ich (übrigens seit einem schlappen Jahrzehnt!) die Buchholzwertung, zumindest bei einer ungeraden Teilnehmerzahl!

Die Frage, ob NRW I wirklich in der ersten Runde gegen NRW II spielen muß, wird an anderer Stelle auch für die Zukunft beantwortet werden. Vielleicht unter Zuhilfenahme der realen DWZ und ELO-Zahlen der Spielerinnen, die auch tatsächlich in der ersten Runde spielen. Wenn man dann noch die ELO vom 01.05 zugrunde legt und nicht die vom 01.03, dann kann man im vorliegenden Fall diese Frage nur verneinen. Ich werde jetzt die Zahlenspielereien nicht anstellen, aber wer dem Link auf die Seite von Gerhard Hund folgt, kann das gerne selber durchrechnen. Sachsen, Thüringen, Hessen und Baden sind doch nominell deutlich stärker als die junge Mannschaft von NRW II.
NRW I allerdings auch...

Es ist wirklich hart, zwei Mannschaften aufstellen, organisieren und betreuen zu müssen. Seit dem 15.12.2009 beschäftige ich mich damit, es ist in dieser Zeit ein Zweitjob geworden. Nächtelang, wochenlang, monatelang zwischen 23:00 Uhr und 03:00 Uhr morgens Spielerinnen anschreiben, Hotels organisieren, ein Zimmer mehr, ein Zimmer weniger, hier eine Absage, da ein "das weiß ich doch jetzt noch nicht" usw. usw. Das Alles absolut ehrenamtlich, ich als Mannschaftsführer kriege keinen einzigen Cent dafür.

Heike als Frauenreferentin hat dem Kassierer, dem geschäftsführenden Präsidium, dem Präsidenten und dem Kongreß die zweite Mannschaft aus dem Kreuz geleiert. Das grenzt für mich noch heute an ein Wunder. Das Wunder von Bern habe ich übrigens gerade verpasst, genau so wie Aktenzeichen xy. Der Grund heißt Max und ist 2,5 Jahre alt. Aus dem gleichen Grund gibt's auch bis jetzt keine Bilder und der Bericht kommt so spät. Heike hat einige Bilder gemacht, aber ich finde jetzt das Kabel nicht von der Kamera. Bilder werden also möglicherweise nachgeliefert.

Der Lohn der Mühen ist der phantastische Auftritt der beiden NRW-Mannschaften hier in Braunfels. Die junge zweite Mannschaft hat selbst mich sehr positiv überrascht. Mit Ausnahme der letzten Runde spielt sie vier hervorragende Mannschaftskämpfe. Damit "eigentlich" einen oder zwei mehr als die erste Mannschaft. Diese wackelt nämlich in der Auftaktrunde und in den beiden Schlussrunden bedenklich. Aber sie fällt nicht und ist seit nunmehr 3 Jahren ungeschlagen bei insgesamt 29:1 Mannschaftspunkten!

Deutscher Meister ist nur NRW!
Entscheidend dafür sind sicher die insgesamt 10/10, die Jenny Leveikina und Heike Vogel an den letzten beiden Brettern holen.

Und bevor ich das vergesse: Als wahre Glücksbringer erweisen sich Brigitte und Manfred Weber, die Samstag und Sonntag in Braunfels weilen und den beiden Mannschaften Erfolg bringen!

Links zum Thema:

Stefan Pick, 09.06.10

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