Schachklub Kerpen 64 e.V.

Its coming home its coming home oder Da ist das Ding!

Wir sind die Besten von Deutschland, und vielleicht...Jetzt habe ich aber genug Bayern-Zitate an den Start dieses Artikels gesetzt. Einen Tag nach dem Bayern-Triple mit dem Gewinn des DFB-Pokals gegen den VfB Stuttgart (es war natürlich kein Elfmeter für Bayern, sondern erlaubter Körpereinsatz) gewann die NRW-Auswahl die Deutsche Frauen Länder Meisterschaft in Braunfels, nachdem sie im vergangenen Jahr den Teller an Hessen quasi nur ausgeliehen hatte.

In der zuvor festgelegten Aufstellung WIM Oksana Vovk, Fan Zhang, WIM Anna Rudolph, WFM Julia Freitag, Wenke Henrichs, Irina Nattermüller, WFM Heike Vogel, Marina Limbourg, Swetlana Roitburd ging es ab dem 30.05 an das Ziel, den Teller und den Pokal aus Hessen zurückzuholen. Von 2008 bis 2011 hat NRW gewonnen, ein kleines Tal mußten wir 2012 durchschreiten, als sich die Mannschaft im entscheidenden letzten Spiel als nicht stark genug für Hessen erwies und mit 2-6 verdient verlor.

Zurück in die Gegenwart. Die erste Runde wurde gem. TO frei gelost, darauf hatte ich meine Mannschaft eingestellt. Natürlich ist es trotzdem schwer, nach teilweise anstrengender Anreise direkt auf Nahkampfmodus umzustellen. Dies gelang einigen Spielerinnen von NRW besser, Anderen weniger gut. Es ging in der ersten Runde gegen Sachsen, eine Mannschaft die mit einem DWZ- Schnitt von 140 Punkten weniger als wir durchaus ernst genommen werden mußte. Die Reihenfolge der Einzelergebnisse weiß ich nicht mehr so genau, man sieht jedoch an den Niederlagen an Brett 1 und 4, wie stark Sachsen war. Und ich weiß noch, daß Anna Rudolph, unsere beste Spielerin, im späteren Verlauf des Kampfes in ausgeglichener Stellung Remis anbot und damit berechtigterweise die Luft rausließ. Denn die anderen noch laufenden Partien gingen an uns, so blieb zumindest dieser Mannschaftssieg relativ ungefährdet. Relativ!
Ach ja, ich vergaß einen der wenigen Fehler des Mannschaftsführers zu erwähnen, der irrtümlich nach der Auslosung die Information weitergab, wir würden gegen Bayern spielen. Da hatte ich mich doch glatt um 2 Runden vertan, nochmal sorry dafür.
Irina mußte in der ersten Runde durch Swetlana ersetzt werden, da sie im Stau stand und kein Netz hatte. Also mußte auch Heike spielen, die "eigentlich" aussetzen wollte. Auch das Zimmer für Irina, Mathias und Severin mußte ich neu organisieren, das hatte wohl jemand abbestellt. Wer eigentlich? Und das alles sehr kurz vor Beginn der ersten Runde bzw. in den ersten Minuten dieser Meisterschaft. Allerdings wußte ich da schon, daß es ein erfolgreiches Turnier werden würde, denn wenn es so chaotisch losgeht steht meist am Ende ein großer Erfolg.
Der Freitag war so mit das Härteste, was ich bisher bei der Ländermeisterschaft erlebt habe. Und das ist schon Einiges, glaubt es mir. In der zweiten Runde am Freitag morgen ließ ich Heike pausieren, weil diese die Belastung der Doppelrunde nicht auf sich nehmen wollte und außerdem ja schon am Donnerstag nicht spielen wollte. Irina spielte also für Heike, sonst änderte sich nix. Die ersten 6 Bretter wären ja auch mit Heike gleich geblieben, Brett 7 haben wir gewonnen, die Frage ob Marina am achten Brett statt an 7 was geholt hätte gegen die mir unbekannte Tschechin Katerina Zpevakova, DWZ 1909, wird auf immer und ewig unbeantwortet bleiben.
Klar war damit, daß wir an Brett 1 und 8 nominell unterlegen waren. Was sich dann aber ereignete, war an Dramaturgie kaum zu überbieten. Ob es wirklich 0-3 stand, wie auf der Homepage des Turniers nachzulesen, weiß ich gar nicht mehr. 1-3 stand es auf jeden Fall. Der erste Knackpunkt war, daß mir beim Stande von 0-0 der Kampf insgesamt zu chaotisch verlief und ich irgendwie die Sache beruhigen wollte. Durch ein gezieltes Remisangebot, aber an welchem Brett? Ich dachte an Wenke, ließ mich aber eines Anderen, Schlechteren belehren und forderte sie nicht auf, remis anzubieten. Das sind dann so Momente, wo einzelne Partien oder ganze Mannschaftskämpfe kippen. In diesem Falle kippte nicht nur diese eine Partie.
Jedenfalls stand es nach den Siegen von Fan und Anna an den Brettern 2 und 3 im Kampf 3-3 bei zwei noch laufenden Partien. Irina stand seit geraumer Zeit auf Verlust, sie hatte gerade in der kritischen Phase der noch laufenden Partien Material geopfert, leider ohne den weißen König zur Strecke zu bringen. Julia hatte einen Bauern mehr, war dafür lange Zeit durch den starken weißen Läufer auf a3 mit ihrem König in der Mitte steckengeblieben. Weiß nutzte dies zum Glück nicht aus.
Letztlich stellte Julias Gegnerin die Partie ein, noch bevor Irina aufgeben mußte. Somit blieb es Julia erspart, beim Stande von 3-4 und beidseitig knapper werdender Bedenkzeit gewinnen zu müssen.
4-4 also, nix passiert und noch drei Runden zu spielen.

In der dritten Runde am Nachmittag ging es gegen den mittlerweile alleinigen Tabellenführer Bayern. Die Bayern hatten als Einzige 4-0 Punkte auf dem Konto, eine Niederlage konnte also schon das Ende aller Titelträume für uns bedeuten. Wir mußten in dieser Runde auf Marina verzichten, Sweta kam also zu ihrem dritten Einsatz im dritten Spiel. Bayern setzte ebenfalls die Ersatzspielerin und Mannschaftsführerin Oda Lorenz ein, so daß der Ratingunterschied am achten Brett nicht allzu groß war.
Auch in diesem Kampf wogte das Geschehen hin und her. Oksana gewann eine sehr wichtige Partie, wobei viele von uns dachten, daß sie möglicherweise verlieren könnte. Fan verlor ihre einzige Partie in diesem Turnier. Swetlana verlor leider gegen Oda Lorenz an Brett 8, vielleicht hätte sie doch mal remis anbieten sollen. Oda hätte bestimmt abgelehnt. Heike gab Barbara Niedermaier eine sehr überzeugende Watschn, wobei sie gegen die gar nicht spielen wollte. Julia gewann gegen Nellya Vidonyak, weil Nellya versuchte, Julia in Zeitnot taktisch auszutricksen. Bei den 30 Sekunden Inkrement, also Zusatzzeit pro Zug, gelang es Julia alle Drohungen abzuwehren und mit einem Mehrbauern ins Endspiel zu gehen. Dieses konnte sie gewinnen. Irina verlor gegen Dr. Katarzyna Woniak, vielleicht hätte sie versuchen sollen, die Stellung nach Dd4 Sg8 D irgendwohin Sd7 Dd4 nochmal anzustreben. Wenke stand nach dem Rückgewinn des Bauern auf d5 ganz gut und gewann im weiteren Verlauf zwei Bauern. Es waren ungleichfarbige Läufer auf dem Brett, allerdings mit Damen und eben zwei Bauern mehr bei Wenke. Es kam wie es kommen mußte, die Damen wurden getauscht, und obwohl der Abstand zwischen den beiden Freibauern groß genug sein sollte, scheiterte ein Gewinn am falschen Eckfeld a1. Denn das ist Schwarz, außer wenn man falsch aufbaut.
3,5 zu 3,5 also, alles hing am Ergebnis der Partie an Brett drei zwischen Milka Ankerst und Anna Rudolph. Anna hatte einen Bauern mehr im gleichfarbigen Läuferendspiel, und mit starker Technik gewann sie dieses Endspiel. Sieg, 5-1 Mannschaftspunkte und immer noch nicht Erster.
Erster war nach der dritten Runde Niedersachsen mit 5-1 Punkten vor NRW und Hessen 1, beide ebenfalls 5-1 Punkte.
In der vierten Runde kam es zum Spitzenduell Hessen 1 gegen NRW. Niedersachsen spielte an Tisch 2 gegen Sachsen und hätte im Falle eines Sieges als lachender Dritter vor der letzten Runde Tabellenführer sein können. Doch es kam anders.
Oksana spielte remis, das war in Ordnung. Auch die anderen Remisen, wobei Anna Rudolph sehr unglücklich darüber war, daß sie ihren Mehrbauern nicht verwerten konnte und ins Remis abwickeln mußte. Zu den drei Siegen ist zu sagen, daß Julia völlig platt stand mit ihrem in der Mitte festgehaltenen König. Auch bei Wenke kippte die Partie sehr deutlich zu unseren Gunsten. Fan überspielte wohl ihre Gegnerin und umschiffte gekonnt alle taktischen Klippen. Sieg, und da Sachsen ebenfalls mit 5,5 zu 2,5 gegen Niedersachsen gewann, auch endlich die Tabellenführung. Einen Spieltag vor Schluß.
Stand nach der vierten Runde: NRW 7 Punkte, Sachsen 6, ganz viele Andere 5.
Endspiel am Sonntag, 02.06.2013 um 09:30 Uhr gegen Niedersachsen. Doch vorher noch Stadtführung (soll ganz lustig gewesen sein, habe ich gehört), Buffetabend und Blitzturnier.
Das Buffet war lecker wie immer, an diesem Abend mundete mir besonders der Rotwein. Aus Gesundheitsgründen mußten einige der Damen und Kinder auf das Tiramisu als Nachtisch verzichten, rohe Eier und / oder Alkohol sind für manche Bevölkerungsgruppen nicht geeignet.
Alle Versuche, das traditionelle Blitzturnier aussterben zu lassen, waren erneut zum Scheitern verurteilt. Während im Vorjahr während des Europameisterschaftsspiels Deutschland gegen Portugal Sonja Noll aus dem Saarland das Turnier leitete, übernahm das heuer WFM Dr. Anita Stangl aus Bayern. Passend zum Pokalendspiel Bayern gegen Stuttgart, s.o. Nein, das war kein Elfmeter. Schalke hätte diesen Elfmeter nie gekriegt, und wenn Werner Hansch gepfiffen hätte und Manni Breuckmann an der Linie stehen würde.
Ich würde nie zum FC Bayern München gehen. Als ich vor Jahren diesen Liedtext an Sebastian Deissler geschickt habe, hat der aufgehört mit Fußballspielen. Mit 10 Millionen Euro Handgeld in der Tasche. Deshalb mußte Uli Hoeneß zocken gehen, um das Geld wieder reinzuholen.
Also, Uli, wenn Du nächstes Jahr die ergaunerten 47 Millionen Euro für Julian Draxler auf den Tisch legst, fliegt Deine Arroganz-Arena in die Luft. Die zerplatzt wie die Stellung von Barbara Niedermaier gegen Heike, ich schwörs.
Das Finale des Blitzturniers gewann Peter Jürgens mit 7,5/8 vor Marinee Zschischang, Dr. Anita Stangl und Philipp Limbourg landeten punktgleich auf dem dritten Rang. Max holte 2/8 in seiner Vorrunde, ich 7/8 in meiner. Auch Julia spielte das Finale. Dort war ich weiterhin bis zu den 2,5/3 insgesamt ungeschlagen. Nach der Niederlage gegen Anita Stangl brachen alle Dämme, es folgten Niederlagen gegen Philipp Limbourg und Simona Gheng.
Sonntag, 02.06.2013, 09:30, Finale gegen Niedersachsen. Die Mannschaft von NRW kam immer besser in Schwung. Ein 4-4 hätte für den Meistertitel gereicht, aber nicht nur aus sportlichen Gründen wollten und konnten wir eine Demonstration der Stärke abliefern. Auch als Hinweis für die Zukunft. Oksana, Julia und Heike spielten remis, der Rest gewann. Wobei Anna Rudolph die letzte Partie des Turniers spielte, diese endete erst kurz vor 15:00 Uhr. Mit einem Sieg für Anna, für NRW.
Der Rest war nur noch feiern. Nach dem Debakel 2012, wo die ersten vier Bretter des diesjährigen Deutschen Meisters nicht dabei waren, lief diesmal vom Ergebnis her alles glatt. Und nervenaufreibend wars auch.
Ich könnte mich sehr lange zum Thema Ehrenamt auslassen. Hochbezahlte Schiedsrichter sitzen auf ihren Bänken, während unser fünfjähriger Sohn Max die Namensschilder an den Brettern von NRW aufbaut. Oder bei Niedersachsen die Jugendspielerinnen. So schreibe ich jetzt zum dritten Mal, daß wir nächstes Jahr nicht mehr dabei sein werden. Auch aufgrund der privaten Situation. Allerdings habe ich das die letzten beiden Jahre auch bereits behauptet, und wie durch ein Wunder waren wir wieder am Start. Und der selbsternannte beste Mannschaftsführer der Welt, also ich, kann im vierten Anlauf seinen vierten Sieg feiern. Stolze Bilanz, wobei natürlich auch diesmal Marina ein sehr hoher Anteil an der Zusammenstellung der Mannschaft gebührt. Aufgrund von Marinas und Heikes integrativen, organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten konnte der Titel zurückgeholt werden. Natürlich, selbstverständlich, das ist klar, mit einer diesmal wieder sehr starken Mannschaft. Its coming home its coming home.
An Tagen wie diesen will ich nicht enden, ohne meine große Zufriedenheit und Stolz auf das gesamte Team zu verkünden. Kämpferisch war es von Seiten der Spielerinnen teilweise großer Sport, spielerisch gibt es sicher noch Luft nach oben.
Es war ein engeres Feld als sonst, was der sportlichen Auseinandersetzung sehr entgegenkam. Frauenschach ist ja ohnehin kämpferischer als das der Männer, das macht die Sache so spannend. Als Mannschaftsführer ist das nicht immer ein Traum. Acht Mannschaften mit einem DWZ-Schnitt von 1811 und mehr, hinten 4 mit 1644 und weniger, spannender geht’s kaum. Die Anwesenheit von Elisabeth Pähtz und Herbert Bastian wertet die Veranstaltung zusätzlich auf, hoffen wir nächstes Jahr auf noch mehr teilnehmende Landesverbände.
Oksana mit ihrem Sieg gegen Bayern, Fan mit 4/5 am zweiten Brett, Anna Rudolph ebenfalls mit 4/5 in teilweise entscheidenden Partien, Julia mit 3,5/5 und sehr spannenden Partien, Wenke erzielte ebenfalls 3,5/5, Irina mit einem Sieg in der fünften Runde, Heike ¾, Marina 3,5/4, Sweta die uns dreimal geholfen hat, eine sehr starke Mannschaftsleistung führte uns zum erneuten Titelgewinn. Das haben wir mit den Bayern gemeinsam, wir sind Rekordmeister.


Max und Turnierleiterin WFM Dr. Anita Stangl beim Blitzturnier

Schließen möchte ich mit einem großen Lob auf das Saarland, das zum ersten Mal in der 750-jährigen Geschichte der Ländermeisterschaften zwei Mannschaftspunkte am Brett geholt und dieses entsprechend gefeiert hat.

Auf ein Neues in Braunfels vom 19.06. - 22.06.2014.

Link zur Turnierseite:
http://www.schachbund.de/chronik/meister/dfmmlv/2013/index.html

Stefan Pick, 03.06.2013 und 04.06.2013

Dies ist ein subjektiver Bericht, der teilweise meine Meinung wiedergibt. Deshalb lesen ihn die Leute so gerne.

Zurück