Skandal!
Link zum Veranstalter: www.sg1871loeberitz.de
Nein, nicht im Sperrbezirk, sondern in Halle an der Saale. Nun hat auch das Schach
seinen Schiedsrichterskandal.
Doch der Reihe nach.
Vom 14.-17.04.05 findet in Halle/Saale die Deutsche Frauen Ländermeisterschaft im Schach
statt. 12 Landesverbände gingen mit insgesamt 13 Mannschaften an den Start, Ausrichter
und Titelverteidiger Sachsen-Anhalt stellte 2 Mannschaften.
Der deutsche Rekordmeister NRW reiste mit gegenüber den Vorjahren geringfügig veränderter
Mannschaftsaufstellung ins Hansa Treff Hotel nach Halle. Anstelle der nicht mehr für NRW
spielberechtigten Grazyna Bakalarz und der Seele der Mannschaft Anna Dergatschova, die
leider verhindert war, spielten mit Elena Kuznetsova und Marina Roitburd zwei junge
Spielerinnen aus dem Gebiet der größten Schachnation der Welt. Damit stimmte auch die
Mischung wieder: 4 deutsche und 4 "russische" Spielerinnen.
Das Hotel bietet sehr gute Spielbedingungen für die Spielerinnen, der Spielsaal ist groß
genug und auch sonst mangelt es an nichts. Nachteilig sind nur die Preise und die Tatsache,
daß man kaum die Möglichkeit hat etwas außerhalb des Hotels zu unternehmen, denn da ist
auch nichts. Willkommen in der Prärie lautete dann auch die Begrüßungsformel unserer
thüringischen Schachfreundinnen am Eingang des Hotels. Dies war am Donnerstag, als wir
nach mehrstündiger Fahrt den Zielort erreichten.
Die Frauen des SBNRW spielten in der ersten Runde gegen Niedersachsen. Es war die einzige
umkämpfte Erstrundenpartie. Glücklich aber nicht unverdient siegte die Mannschaft mit
4,5-3,5. Mit dem gleichen Ergebnis wurde die zweite Runde gegen Baden gewonnen.
Matchwinnerin war in beiden Spielen Heike Vogel vom SK Kerpen 64 e.V., die ihre Spiele
gegen starke Gegnerinnen gewann. Die Mannschaft überzeugte bis dato durch mannschaftliche
Geschlossenheit.
In der dritten Runde kam es zum Duell gegen Sachsen-Anhalt II. Die "Ersatzmannschaft" hatte
den 8-0-spielfrei-Sieg aus der ersten Runde optimal ausgenutzt und in der zweiten Runde
überraschend gegen Bayern gewonnen und war somit Tabellenführer. NRW siegte glatt mit 6,5-1,5.
Im letzten Spiel von Elena Kuznetsova gegen Ursula Vogler kam es zum Skandal. Als beide
Spielerinnen noch eine Minute auf der Uhr hatten, sah sich der Schiedsrichter, Herr Schärtzke,
ohne Aufforderung durch eine der beiden Spielerinnen genötigt, einzugreifen. Auch er hielt
dabei nicht die Uhr an! Er wollte das gleichfarbige Läuferendspiel mit einem Mehrbauern
für Schwarz (Elena) remis erklären!! Skandal! Daß er seine neutrale Haltung dadurch
dokumentierte, daß er sich anschließend nur bei Weiß entschuldigte für sein regelwidriges,
grob unsportliches Verhalten, rundet das Bild ab. Um es klarzustellen: Elena hatte wenige
Sekunden vorher remis angeboten, was von der Gegnerin mit dem Kommentar: "Tut mir leid"
abgelehnt wurde. Damit brachte Weiß deutlich ihre Absicht zum Ausdruck, Schwarz über die
Zeit zu heben. Nachdem nun in den nächsten Sekunden Schwarz den zeitlichen Nachteil
ausgleichen konnte und ihrerseits nicht nur auf dem Brett in Vorteil geriet, sondern auch auf
der Uhr, schlug die Stunde des Herrn Schärtzke. Nach 20minütiger Diskussion und der Zustimmung
ihrer Mannschaftsführerin Brigitte Weber willigte Elena ins Remis ein. Ein Weiterspielen,
wie von der Oberschiedsrichterin Petra Mensa angeordnet, war unter diesen Umständen nicht
zumutbar. An dieser Stelle möchte ich betonen daß es sich hier um meine Sicht der Dinge,
also auch meine Meinung, handelt.
Heute steht der Kampf gegen Sachsen-Anhalt I an. In diesem Spiel ist NRW nur Außenseiter. Sachsen-Anhalt spielt mit 2 Großmeisterinnen an den Spitzenbrettern. Der Ausrichter weist einen DWZ-Schnitt von 2103 auf gegenüber 2005 beim Rekordmeister. Allerdings hat NRW bereits 6-0 Punkte auf dem Konto und Sachsen-Anhalt 5-1. Freuen wir uns auf spannendes Schach und ein sportliches Ergebnis.
Nach einigen Tagen komme ich nun endlich dazu den Bericht weiterzuschreiben. Mittlerweile haben wir Montag den 18.April 2005 und Niedersachsen ist Deutscher Meister! Wie es dazu kam?
Das Spiel gegen Sachsen-Anhalt I in der 4.Runde wurde mit 2,5-5,5 deutlich verloren. Hier
hatte der Ausrichter an den letzten beiden Brettern das Glück des Tüchtigen. An den ersten
3 Brettern hielt die Mannschaft von NRW erstaunlich gut dagegen und holte 3 remis gegen die
nominell teilweise deutlich stärkeren Gegnerinnen.
Nach dieser Niederlage war der Titel außer Reichweite gerückt. In der letzten Runde am
Sonntag galt es nun den Platz auf dem Treppchen, also zumindest die Bronzemedaille, zu
sichern. Mit etwas Glück sprang letztendlich ein deutlicher 6-2 Sieg gegen Berlin dabei
heraus, sicherlich viel zu hoch.
Die Überraschung der letzten Runde, das Wort Sensation sollte man nicht überstrapazieren,
war jedoch das 4-4 am Spitzentisch zwischen Sachsen-Anhalt I und Baden. Auch wenn dieses
Ergebnis noch am Rande der Erwartungsskala lag, Baden ist auch nicht so schlecht besetzt,
führte es doch mit dem zumindest in der Höhe überraschenden 6-2 Sieg von Niedersachsen gegen
die starke Mannschaft aus Thüringen dazu, daß die Frauen aus Niedersachsen sich erstmalig in
der Geschichte der Deutschen Frauen Länder Mannschaftsmeisterschaften den Titel sichern konnten!
Nun wissen wir auch warum NRW in der ersten Runde "nur" mit 4,5-3,5 gegen Niedersachsen, den
neuen Deutschen Meister, gewann!
An dieser Stelle ein Wort zum Regelwerk. Damit meine ich nicht die Zumutung, daß der
Schiedsrichter Herr Schärtzke nach seinem grob unsportlichen Verhalten weiter pfeifen durfte.
Jeder Zuschauer hätte für die Dauer des Turniers einen Platzverweis erhalten, und das völlig
zu Recht!
Nein, ich meine die Wertung im Falle der Mannschaftspunktgleichheit. Dann entscheiden nämlich
die Brettpunkte! Völliger Unsinn, wie jeder gleich einsieht, bei nur 5 Runden nach Schweizer
System und einer mit 13 ungeraden Teilnehmerzahl! Niedersachsen wurde mit nur einem guten
Spiel, der letzten Runde gegen Thüringen, Deutscher Meister und holte sich die notwendigen
Brettpunkte in Spielen gegen Hamburg und Rheinland-Pfalz. NRW spielte ausschließlich gegen
stärkste Gegnerschaft, sprich Niedersachsen, Baden, Sachsen-Anhalt II, Sachsen.-Anhalt I und
Berlin und konnte natürlich relativ wenig für die Brettpunkte tun. Hier ist meines Erachtens
dringend eine Regeländerung auf Buchholz gefordert, dies allerdings nicht erst seit diesem Jahr!
Beste Spielerin des SBNRW war Heike Vogel mit 4,5/5 am zweiten Brett! Ebenfalls ungeschlagen blieben aus NRW Elena Kuznetsova mit 3/5 an Brett 3 und Manuela Schmitz mit 3,5/5 an Brett 5.
Die Heimfahrt verlief gewohnt feucht-fröhlich, es macht einfach Spaß mit dieser Mannschaft zu reisen. Kurz vor dem Ende der langen Fahrt trafen wir im Ruhrgebiet noch diesen Schachfreund im Zug.
Wir freuen uns auf die nächste Deutsche Frauen Länder Mannschaftsmeisterschaft vom 04.-07.05.2006, dann wieder im malerischen Braunfels in Hessen.
Stefan Pick, SK Kerpen 64 e.V.
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